„Guten Morgen meine Lieblingsmitazubine :)
bist du bereit, dir heute die geballte Ladung Poetry-Euphorie reinzuziehen? Mein Adrenalinspiegel ist ungefähr bei 150 % und meine gute Laune versetzt soeben den Mount Everest. Oder den Kilimanscharo. Oder die chinesische Mauer. Kann auch sein, dass ich mich heute mit dir in "Poetry Slam" (inzwischen eine gleichgestellte Sprache wie Deutsch und Englisch, nur noch nicht anerkannt) unterhalte.
What the fucking hell-Wir haben's geschafft!-Sind wir geil oder sind wir geil-Grüße von deiner Büronachbarin
Daniela :)
P.S. Essen wir heute bei IKEA? Ich brauch was richtiges, was nicht aus Schokolade oder Pizza besteht!“
Das habe ich an einem wunderschön nebligen Montagmorgen meiner Kollegin geschrieben, nachdem ich nach dem 25-Stunden-Poetry-Slam nach Hause gekommen und quasi tot ins Bett gefallen bin und 8 Stunden am Stück in einem Bett (!!!) geschlummert habe, wie Dornröschen.
Womit wir beim Thema sind:
24-Stunden-Poetry-Slam im Katharinensaal in Nürnberg, der eigentlich ein 25-Stunden-Poetry-Slam war, weil die Uhr von drei auf zwei wieder eine Stunde zurückgestellt wurde.
Ich kann es tatsächlich noch immer nicht wirklich fassen. Es ist noch ziemlich unwirklich. Alle die Gefühle und Stimmungen und „Nachbeben“ - unfassbar.
Aber am besten mal von vorne!
DIENSTAG, 23.10.2012
Eigentlich wollte ich von Michl nur wissen, wie das am Wochenende genau abläuft. Wenn schon mal ein 24-Stunden-Slam ist, dann will man sich den doch auch anschauen. Also habe ich naiv und blauäugig wie ich bin, Michl gefragt. Zurück kam keine direkte Erklärung sondern „Es ist noch ein Platz frei. Hast du Bock?“ Eigentlich hatte ich nicht wirklich Zeit. Hab mich dann auch vorerst dagegen entschieden, obwohl ich mich mit meinem Herzen (werden wir mal ein bisschen poetisch) dafür entschieden habe. Er hat gemeint ich soll drei Bier trinken. Ich hab darauf gemeint, er soll mir zehn Minuten Zeit geben.
Weil’s Spaß macht, habe ich auch noch Facebook mit in meine Entscheidung miteinbezogen „Slammen oder nicht Slammen – das ist hier die Frage.“ Es wurde ein paar Mal gefällt mir geklickt, aber es kam keine direkte Entscheidungshilfe. Mein bester Freund hat dann irgendwann geschrieben, ich sei für die Bühne geboren. Das fand ich sehr sehr süß.
Naja, das Ende der Konversation mit Michl war dann: Klein-Daniela macht beim 24-Stunden-Poetry-Slam in Nürnberg mit, der eigentlich ein 25-Stunden-Poetry-Slam ist, weil die Uhr von drei auf zwei wieder eine Stunde zurückgestellt wurde.
Problem an der ganzen Sache war aber noch, dass ich keine 15 Texte hatte. Also habe ich mich in eine Serientextproduktion gestürzt, denen jegliches Herz und Gefühl fehlte. Hat man dann auch gemerkt.
SAMSTAG, 27.10.2012
17:44 Uhr
So langsam wurde ich nervös. Und hab das dann auch erstmal über Facebook der ganzen Welt mitgeteilt. Überhaupt war Facebook zum Weltrekordslam für alle Slammer sehr wichtig, weil wir somit Kontakt zur Außenwelt hatten.
18:36 Uhr
Ankunft am Nürnberger Hauptbahnhof. Mit meiner Tasche schlich ich durch Nürnberg, hab mir meine Hände dabei abgefroren und meinen Rücken zum Kreischen gebracht. Tja, wer eine Isomatte, Decke, Kissen, verschiedene Outfits und die Texte mitnimmt, der schleppt ein bisschen. Hab mich dann auch verlaufen und habe einen Passanten gefragt (für meine fleißigen Blogleser: Nein, er wusste meinen Namen nicht, denn ich hatte kein Namensschild an meiner Jacke). Der nette Herr hat mir dann gezeigt, wo der Katharinensaal in Nürnberg ist.
18:59 Uhr
Ich habe den Katharinensaal gefunden. Bin stolz auf mich. Und dort gab es erst einmal ein großes Hallo mit den Poeten, die schon da waren. Ein paar kannte ich schon, ein paar nicht. War auf jeden Fall echt cool. Und langsam ist die Spannung auch angestiegen.
20:00 Uhr - BEGINN!!!
(Ab jetzt mögen es meine Leser mir bitte verzeihen – ich habe keine direkten Zeitangaben mehr und bin mir auch nicht sicher, ob das was ich jetzt noch alles schreibe chronologisch richtig ist. Ich kann mich nur an SMS und diversen Facebook-Stati orientieren.)
What the fu**ing hell! Sind da coole Texte dabei. Ich wurde in meinem Sitz immer kleiner, weil ich wusste, ich bring’s nicht weit. Habe dann auch schon damit gerechnet, dass ich in der ersten Runde rausfliege. Die habe ich dann überlebt. 15 Texte und gut 100 Minuten hat die erste Runde gedauert. Am Stück. Ohne Pause. Ohne Klogehen. Mit greifbarem Mitfühlen der Zuschauer. Als ich dran war, habe ich erst geglaubt, mich legt’s in meinen Keilabsatzschuhen auf die Nase. War dann aber doch nicht der Fall. Punktewertung war (zumindest die, die gewertet wurden) 6/6/6. Fand ich teuflisch gut.
Als dann doch alle Poeten ihre Texte zum besten gegeben hatten (für die erste Runde) hat DJ Felix aufgelegt. Irgendwann habe ich so für mich festgestellt: Slammer sind Rampenschweine. Wir haben getanzt, gefeiert und mitgegrölt und der Katharinensaal wurde zur geilsten Disco Nürnbergs. So hat es sich zumindest angefühlt.
IRGENDWANN SPÄTER NACH 100 MINUTEN (ca.) UND EINER PAUSE (lt. Einer SMS war es 22:39 Uhr)
Runde zwei. Ganz ehrlich – ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Nur dass Felix, als ich bei meinem Text fragte „Habt ihr schon mal an einem 24-Stunden-Poetry-Slam teilgenommen um am nächsten Morgen mit Augenringen bis zu den Nippeln sagen zu können ‚Boah – war das geil!’“ (oder so ähnlich) angefangen hat zu grölen. Das Publikum hat mitgeklatscht. Wenn einer blökt, blöken alle. War aber cool und hat sich auf der Bühne echt gut angefühlt.
23:39 Uhr (lt. What’s App)
Ich bin raus. War im ersten Moment schon traurig, aber ich war verdient draußen, weil der Text einfach doof war. Aber das macht nichts. Habe in der Lucky Looser-Runde ja eventuell noch mal die Chance weiterzukommen.
SONNTAG, 28.10.2012
00:28 Uhr (lt. What’s App und Facebook)
Liebe Welt, ich gehe schlafen. Bis zur Lucky Looser-Runde.
Übrigens – der DJ ist cool!
03:10 Uhr (lt. What’s App und SMS)
Hiermit verabschiede ich mich vom 25-Stunden-Poetry-Slam. Ich bin verdient raus, denn andere sind verdient weitergekommen. Jetzt gehe ich schlafen.
Insgesamt habe ich es auf ungefähr drei Stunden Schlaf gebracht, als vermute ich, dass ich irgendwann gegen 5:15 Uhr wieder aktiv zugehört/-geschaut habe.
AB 05:15 Uhr (nach eigenem Ermessen)
Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Mein Kopf tanzt den Gangnam-Style und wir sind alle besoffen. Von Relentless und Wasser. Wobei: Ich habe weder Bier, noch sonst irgendetwas berauschendes oder Kaffee getrunken. Ich habe mich mit Wasser durchgeschlagen. Und Schokolade. Und Pizza. Aber dennoch habe ich mich gefühlt, wie Kirwadienstag früh um 4 Uhr, wenn die Kirwa eingegraben wird (Kirwa geht von Donnerstagabend bis Dienstagfrüh. Nur so nebenbei.)
Und alles zog irgendwann nur noch an mir vorbei. Ich weiß zwar was alles passierte, aber ich weiß nicht ob das alles noch in der Reihenfolge so war oder überhaupt und generell.
Irgendwann frühmorgens, als es bereits hell war, standen wir alle draußen vor dem Katharinensaal und AIDA (ich bin mir sicher, dass er es war) hat gemeint, bei Tageslicht wären wir alle hässlich. Katja (Moderatorin) hat uns alle mit wichtigen Schlafentzugsinfos versorgt und der Schlafentzugrekord liegt bei 240 Stunden (glaube ich). Nebenwirkungen sind unter anderem Halluzinationen (was ich bestätigen kann). Andere Slammer lagen irgendwann wie tot im Backstagebereich und haben auf der Bühne noch einmal alles gegeben. Wieder andere Slammer (eine, um genau zu sein…) lagen tatsächlich hinten im Backstagebereich und haben mal eben die halbe Organisation aufgeschreckt und den herbeigerufenen Sanitätern erklärt, was ein Poetry Slam überhaupt ist.
Und irgendwann ging alles ganz schnell. Die Texte flogen an mir vorbei. Ich habe gelacht, geweint, mich trösten und in den Arm nehmen lassen. Bussis verteilt und bekommen. Aufmunterungsworte wie Granaten um mich geworfen. Motivationskekse verteilt (da hätte mehr Koffein drin sein müssen).
19:50 Uhr (geschätzt)
Und plötzlich war Finaltime! Der Saal war wieder gerammelt voll! Martin Geier, Alica aus dem Wunderland, Peter Parkster, AIDA und Tobias Kunze waren die fünf Finalisten. Keine Ahnung von wem wir uns in welcher Reihe verabschiedet haben, jedoch stand plötzlich das Finalduell zwischen AIDA und Peter Parkster fest. Die beiden performten ihre allerletzten Texte.
20:09 DIE ENTSCHEIDUNG!
Alle Poeten (die noch da waren) hopsten zu Gangnam-Style auf die Bühne. Es war eine riesige Party! In Worten nicht zu beschreiben.
Und dann der Entscheidungsapplaus zu Gunsten Peter Parksters. Es war einfach nur umwerfend! Montagabend hat glückliche Gewinner auf Facebook geschrieben „Danke an alle die da waren. Ihr ward großartig! Hat zufällig jemand das Finale oder die Abstimmung gefilmt? Ich kann mich nur noch verschollen erinnern und würde es gerne nochmal sehen." Ja es verschwamm irgendwann wirklich alles. Alles war bunt und schnell und so unglaublich lebendig (abgesehen von den Schlafentzugsleichen, die plötzlich doch wieder hochmotiviert auf der Bühne hopsen konnten).Die schönste Antwort darauf fand allerdings unser Meister der Platten Felix Kade: „Irgendwie ist verschwommen in meinem Kopf folgende Worte: Biggester Applaus den ich in meiner Slamgeschichte erlebt habe und das da nicht nur die riesige Wertschätzung an dich sondern die ganze Veranstaltung und sowieso alles drin steckte, was uns Menschen in diesem Saal verbunden hat. 25 Stunden heile Welt!" Und das war tatsächlich so! Ich war/bin total geflasht, emotional aufgewühlt, hin und weg von der Stimmung, den Leuten, dem kompletten Event!
Dafür sage ich DANKE!
DANKE an (die Reihenfolge ist unabsichtlich und so, wie sie mir in den Sinn kommen)
Jan Philipp Zimny
…für eine der besten Predigten, die ich in meinem Leben gehört habe und überhaupt eine hammergeile Performance!
Jonathan Baumgärtner
…für die Schokolade. Alles okay bei dir? ;-)
Alica Ausdemwunderland
…für die vielen gefühlvollen Texte! Es ist bewundernswert, wie du die Runden mit deinem erdbebenartigen Keuchhusten überstanden hast! Und ich hoffe, deine Socken werden wieder sauber. ;-)
Helmut Steierwald
…für das blasseste Gesicht hinter der Bühne und den stärksten Kontras im Gegensatz dazu auf der Bühne. Und den netten Gerüchtekessel ;-)
Karla Schnikov
..für deine Angst vor Schlangen, die ich von ganzem Herzen teile! Und deine Art Texte zu schreiben und vorzutragen. Das habe ich so noch nie gesehen.
Marilisa
…für ihren Dauerauftritt vor, in und nach der Lucky Looser-Runde. Abgesehen von den Finalteilnehmern hast du (glaube ich) die meisten Texte in kürzester Zeit vorgetragen. Betörend!
AIDA
…für seine Musical- und Balettleidenschaft und überhaupt alle Texte! Ich habe selten einen Mann so elegant und graziös tanzen sehen. Relentless für TAURAIDAS! ;)
P.S. Jeder kam von Herzen… J
Dennis Lange
…für die Herr von Runkenstein-Texte. Ich habe mir noch ein paar mehr durchgelesen und ich steh total auf Herr von Runkenstein!
Sage Dragon
…für’s Zuhören. ;-)
Lukas Wagner
…für deinen Sieg gegen mich in der Lucky Looser-Runde. Jetzt im Nachhinein denke ich mir „Wegen dir konnte ich schlafen.“ J
Martina Neumüller
…für Max. Einfache Dinge so beschrieben wie sie sind – da fehlen auch mir die Worte.
Tobias Kunze
…für die Huldigung des Altbaus und eine Bühneperformance die einfach nur zum niederknien ist.
Peter Parkster
…für dein absolut unglaubliches Durchhaltevermögen und Glückwunsch zum Sieg. Du hast ihn wirklich wirklich wirklich verdient. Und nein es ist keine Absicht, dass ich dich direkt hinter Tobi aufliste. Ihr seid mir einfach hintereinander eingefallen. ;-)
Martin Geier
…für Melanie und die Macht des Schicksals. Für so viele Texte, die einfach nur super (mir gehen langsam die Adjektive aus) sind!
Michl Jakob
…für die spontane „Hast du Bock wir brauchen einen Poeten“-Einladung und den optischen Regenbogen auf der Bühne. Deine Moderation war unglaublich und dass du komplett durchmoderiert hast ist unbeschreiblich!
Katja Hofmann
…für die wirklich überlebenswichtigen Schlafinfos und die süße Pandamütze! Deine Mod zusammen mit Michl war der Hammer!
Eny42
…für die die seelische Unterstützung. Ich fand’s total schön, dass du mit da warst.
Sabrina Dietrich
…für den Ruhepol im Backstagebereich! ;-)
Das Team der Stadtbibliothek Nürnberg und die ganze Orga die mitgewirkt hat, von der ich aber nichts weiß
…für euren unglaublich geilen Job!
Ja und jetzt zum Schluss, da bleibt mir eigentlich nur noch eins zu sagen.
OPAN GANGNAM STYLE! EEEEY SEXY LADY!!
P.S. Es gibt tatsächlich ein Leben nach dem 25-Stunden-Slam... Hätte ich im ersten Moment nicht gedacht.
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Song zur Überschrift:
PSY - Gangnam Style